Ritalin allein ist nicht genug
ADHS-Weiterbildung für Lehrpersonen. Kinder mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen) sollten nicht nur medikamentös, sondern auch mit pädagogischen Massnahmen unterstützt und gefördert werden. Mit der «Interventionsstudie zur Förderung von Kindern mit Unaufmerksamkeit und Verhaltensauffälligkeiten in der Schule» (FOKUS) hat die Fachhochschule Nordwestschweiz ein entsprechendes Weiterbildungsangebot für Lehrpersonen konzipiert und getestet. «spectra» stellt die Ergebnisse vor.
ADHS beeinträchtigen nicht nur das Lernen, die Leistungen und die Schulkarriere im Kindesalter, sie erhöhen im Jugend- und jungen Erwachsenenalt auch die Neigung zum Suchtmittelkonsum und zu Gewalt. Nicht zuletzt können Kinder mit ADHS Lehrpersonen im Unterricht belasten. Neben der medikamentösen Behandlung mit Ritalin können und sollten Kinder mit ADHS in der Schule auch mit pädagogischen Massnahmen unterstützt werden. Solche Massnahmen haben auch eine präventive Wirkung auf Kinder mit ersten Anzeichen einer ADHS, so dass Diagnostizierungen und Medikamentierungen unter Umständen verringert werden können.
Klassenführung, Einzelförderung und Elternarbeit
Das Zentrum Lernen und Sozialisation der Pädagogischen Hochschule FHNW hat nun im Rahmen der «Interventionsstudie zur Förderung von Kindern mit Unaufmerksamkeit und Verhaltensauffälligkeiten in der Schule» (FOKUS) ein entsprechendes Weiterbildungsangebot für Lehrpersonen geschaffen und getestet (www.fhnw.ch/ph/zls/fokus). In der Weiterbildung lernen Lehrerinnen und Lehrer, wie sie Kinder mit ADHS im Unterricht besser unterstützen und somit auch sich selber entlasten können. Die Weiterbildung wurde für das erste und zweite Schuljahr konzipiert und beinhaltet konkrete Massnahmen in drei Bereichen: Klassenführung, individuelle Förderung der betroffenen Kinder sowie Elternarbeit. Für die Klasse und das Klassenzimmer wurden Massnahmen wie das Erstellen von Klassenregeln, Rituale und Raumgestaltungen behandelt. Zu den Massnahmen für das betroffene Kind gehörten unter anderem ein Konzentrationstraining, «Wenn-dann-Pläne», Bewegungspausen, Einzelarbeit oder das Einüben einer positiven Erwartungshaltung. Zum Aspekt Elternarbeit wurden Themen wie Information, Wertschätzung und koordinierte Zusammenarbeit besprochen.
Die Weiterbildung wurde mit 93 Lehrpersonen durchgeführt und deren Wirkung mittels Pre- und Post-Tests (Vorher/Nachher) überprüft. Eine Gruppe von Lehrpersonen wurde in allen drei Bereichen und eine andere Gruppe nur mit Massnahmen auf der Klassenebene weitergebildet. Eine dritte Gruppe erhielt gar keine Weiterbildung und fungierte somit als Kontrollgruppe. Beobachtet wurde ein Zielkind pro Klasse, insgesamt waren es 137 Kinder.
Höhere Zufriedenheit
Die FOKUS-Studie zeigt, dass sich die pädagogischen Massnahmen günstig auf Kinder mit ADHS sowie auf deren Lehrpersonen auswirken. Ingesamt zeigten sich die ausgebildeten Lehrpersonen im Post-Test mit ihrer Unterrichtssituation deutlich zufriedener als Lehrpersonen der Kontrollgruppe. Die Lehrpersonen haben viele der vermittelten pädagogischen Strategien angewendet. Insbesondere die Massnahmen zur Klassenführung und zur Förderung der Zielkinder waren wirksam, wie die Auskünfte der Lehrpersonen und Verhaltensbeobachtungen belegen. Hingegen konnte bei den Massnahmen in der Elternarbeit kein förderlicher Effekt auf das Verhalten Kinder festgestellt werden.
Bessere soziale Integration
Was die Wirkung auf die Zielkinder betrifft, haben sich die Massnahmen vor allem positiv auf die Unaufmerksamkeit der Zielkinder ausgewirkt. Dieses Resultat ist auch der deutlich verbesserten sozialen Integration der Zielkinder zu verdanken, die durch die Massnahmen erzielt werden konnte; soziale Integration ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung, respektive Prävention von ADHS. Weniger stark als erhofft war die Wirkung der Massnahmen auf die Hyperaktivität und Impulsivität der Zielkinder. Die Ergebnisse legen die Vermutung nahe, dass weniger Bewegung und Sport, sondern vielmehr Konzentration und Wertschätzung wirksame Mittel gegen Hyperaktivität und Impulsivität sind.
Elternarbeit verbessern
Eine weitere Schwachstelle der bestehenden Weiterbildung bildet die Elternarbeit: Wie Rückmeldungen der Eltern zeigten, fühlten sich diese wegen der vermehrten Kommunikation der Lehrpersonen stärker belastet als vorher. Dies gilt womöglich deshalb, weil die Lehrpersonen meist Negatives über ihre Kinder berichteten und dabei zu wenig auf einen wertschätzenden Umgang geachtet haben. Die Weiterbildung wird deshalb dahingehend optimiert, dass Lehrpersonen und Eltern in der Lage sind, auf einer Vertrauensbasis gemeinsam Massnahmen für das Kind zu entwickeln und anzuwenden. Dadurch könnten vermutlich (indirekte) Wirkungen auf das Kind verstärkt werden.
Mit diesen Modifikationen wird die Weiterbildung künftig an den verschiedenen Pädagogischen Hochschulen der Schweiz angeboten werden.
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Salomé Steinle, Sektion Drogen, salome.steinle@bag.admin.ch